Was sind Botanicals?
Der herbe Grundgeschmack einer jeden Gin Rezeptur wird, wie erwähnt, durch die Wacholderbeere festgelegt. Der stark prägende Einschlag dieses "Erz-Botanicals" kann jedoch durch die weit über 100 anderen Gin Botanicals abgewandelt bzw. gegebenenfalls abgemildert werden, wobei den Gin-Herstellern nahezu unbegrenzte Kombinationsmöglichkeiten offen stehen. Verallgemeinernd ausgedrückt sind Gin Botanicals also alle pflanzlichen Beigaben, die den Geschmack eines Gins definieren.
Als "klassisch" gilt beim Gin die Auswahl von sechs bis zu zehn Botanicals. Zum neuen Klassiker hat sich in den letzten Jahren dabei jedoch die Tendenz entwickelt, nicht nur ganz unterschiedliche, sondern auch exotische Extrakte zu kombinieren. Es versteht sich von selbst, dass sich dadurch nahezu endlose Kombinationsmöglichkeiten ergeben, die aus dem Gin eine ausgesprochen vielfältige Spirituose machen, in deren Bereich es ständig Neues zu entdecken gibt.
Welche Arten von Gin Botanicals gibt es?
Schauen wir uns zunächst kurz im Überblick an, welche natürlichen Aromen generell im Gin anzutreffen sind und für ein interessantes Tasting sorgen.
Kräuter
In dieser Kategorie, die die größte und wohl auch wichtigste Gruppe der Gin Botanicals ausmacht, fallen Blätter und Blüten von Kräutern und Blumen, die für den Geschmack eines guten Gins unverzichtbar sind. Hier hat man die Auswahl zwischen Zusätzen wie Rainfarn und Oregano, die für die nötige Würze sorgen, oder leichteren Aromen, für die man beispielhaft florale Elemente wie Fuchsien und Jasmin aufführen kann. Richtig ungewöhnlich wird es dann etwa bei Fichtensprossen, Grünkohlblättern und Algen. Es sollte also für jeden Geschmack etwas dabei sein.
Früchte
Nicht jeder Ginfreund mag den nachhaltigen Geschmack von purem Wacholder, weshalb sich in letzter Zeit Fruchtauszüge als Botanicals steigender Beliebtheit erfreuen, die dem Geschmackserlebnis liebliche Züge hinzufügen. Hier kommen ganze Beeren, Fruchtfleisch oder Fruchtschalen in Frage, was wiederum ein ganzes botanisches Universum eröffnet. Während Zitrusfrüchte wie Zitronen oder Orangen in der Beliebtheitsskala ganz oben angesiedelt sind, mengen Fruchtschalen ätherische Öle bei, die für spritzige Frische sorgen. Ungewöhnliche Gin Botanicals aus diesem Bereich sind etwa Kokosnussfleisch, getrocknete Tomaten sowie Hopfendolden.
Samen und Körner
Als weitere klassische Zutaten in vielen Gins trifft man auch verschiedene Samen wie Pinien- oder Dillsamen an, die wiederum für zusätzliche Würze verantwortlich sind. Darüber hinaus greifen manche Hersteller auf exotisch wirkende Zusätze zurück, zu denen neben Walnüssen oder Kakao mit ihren charakteristischen Noten auch schärfere orientalische Beigaben wie Weißer Pfeffer oder Piment zählen.
Wurzeln und Rinden
Selbst den meisten Ginfreunden dürfte nicht bekannt sein, dass auch Wurzeln und Rinden in viele Ginkompositionen mit einfließen. Auch hier geht es um die Schaffung einer komplexen Aromenvielfalt, denn diesbezüglich haben jene Botanicals einiges zu bieten: Erdige Töne und bittere Nuancen zählen je nach gewähltem Extrakt ebenso dazu wie milde, süßliche Anklänge, die den Gesamtgeschmack und Abgang beeinflussen. Als Beispiele seien Blutwurz, Süßholz, Eichenrinde und Harz genannt.
Gin und seine Botanicals – Häufige und seltene Zutaten aus unserem Sortiment
Wenden wir uns nun einigen Beispielen aus unserem Sortiment zu, die das Konzept der Botanicals im Gin mit Leben erfüllen.
Gin Sul Limão Surpresa do SUL Dry Gin 2020
Wir hatten erwähnt, dass Zitrusfrüchte die wohl beliebtesten Botanicals im Gin ausmachen, weshalb wir unsere kurze Auswahl mit dem Gin Sul Limão Surpresa do SUL Dry Gin 2020 beginnen wollen, dessen portugiesischer Name "Zitrone des Südens" bedeutet und auf seine Herkunft aus dem Süden des Landes verweist. Die hineinkomponierten Botanicals umfassen: Wacholderbeeren, Zitronenmelisse, Basilikum, Zitronenthymian, Kaffirlimettenblätter, Zitronen und Zitronenverbene. Der klare, frisch duftende Gin verströmt Noten von Zitronen, Basilikum und Zitonenthymian, wobei der Geschmack den erfrischend-zitronigen Charakter spielend aufnimmt und um Noten von milden Kräutern und Zitronenmelisse erweitert. Mit diesem Spitzenprodukt kommen nicht nur Zitronenfreunde auf ihre Kosten, denn das Destillat, das händisch in eine weiße Tonflasche abgefüllt wurde, ist nicht nur wegen seiner Limitation auf 6.000 Flaschen ein Sammlerobjekt, sondern auch wegen seines Flaschenmotivs, das vom Hamburger Tätowierer Tobias Tietchen entworfen wurde.
Bimber DA HONG PAO Roasted Oolong Tea Gin
Der Da Hong Pao, ein seltener, stark oxidierter Oolong-Tee aus Südchina, gehört zu den teuersten Tees der Welt. Für diesen Gin, der natürlich auch noch weitere ausgewählte Botanicals enthält, werden die raren Teeblätter zunächst aufgebrüht, bevor sie dem Destillat, fachmännisch eingemischt, sein besonderes Gepräge geben. In Duft und Geschmack machen sich neben Anklängen an den exklusiven Premium-Tee auch erdige und blumige Noten geltend. Der Abgang schließlich ist lang anhaltend.
Zing 72 Botanical Gin
Ebenfalls handgefertigt ist der Zing 72 Botanical Gin, bei dem es sich trotz seines chinesisch klingenden Namens um einen Premium Gin aus Frankreich handelt. Die Zahl 72 gibt die Anzahl der Stunden wieder, die die Gin Botanicals mazeriert wurden. Dabei handelt es sich um folgende verlockende Liste: Wacholder, Zitrusfrüchte, Kamille, Lavendel Thymian, Majoran und Blaubeeren. Die Nase unseres Verkosters bemerkte neben dem Wacholderaroma florale, blumige Noten; was den Geschmack angeht, erinnerte das Tasting an Wacholder und Zitrusfrüchte, gepaart mit einem leichten, weichen und blumigen Geschmackserlebnis. Kurz erwähnen wollen wir auch noch das außergewöhnliche Flaschendesign, das an den kleinen Kupferstill erinnert, in dem der Zing destilliert wurde.
KI NO TEA Kyoto Dry Gin
Von der Kyoto-Destillerie, der ersten japanische Gin-Destillerie, stammt der KI NO TEA Kyoto Dry Gin, dessen Name für die Schönheit der Jahreszeiten steht und der zahlreiche typisch japanische Botanicals vereint; enthalten sind unter anderem gelbe Yuzu, Hinoki-Holz-Chips (japanische Zypresse), Bambus, Goyokuro-Tee und grüne Sansho-Beeren (japanische Pfefferkörner). Der klare Gin duftet süß und zart; geschmacklich ist er ebenso süß und sanft, neben Wacholder auch an weiße Schokolade erinnernd. Auch der lang anhaltende Abgang ist bemerkenswert: Er wirkt wärmend und lässt an grünen Tee denken.
Von Hallers Gin FOREST
Albrecht Von Haller, der Namensgeber dieses Gins "mitten aus dem Wald", war nicht nur Physiker und Dichter, sondern sinnigerweise eben auch Botaniker. Er gründete im Jahr 1736 den berühmten Göttinger Botanischen Garten, aus dem alle Botanicals dieses besonderen Gins stammen. Für die Verarbeitung werden sie von Deutschland nach Irland versandt, wo sie in der The Shed Distillery ihrer ordnungsgemäßen Verwendung zugeführt werden. Der Wald-Charakter dieses Gins beruht nicht nur auf Wacholder, sondern auch auf den ebenfalls verwendeten Zapfen der Zirbelkiefer, dem herb-bitteren Enzian und der Rhabarberwurzel sowie der strahlend grünen Farbe des Destillats. An ein dichtes grünes Dickicht muss man auch denken, wenn man seine Nase genüsslich über diesen Gin hält. Besagte Waldaromen bestimmen auch die würzige Intensität seines Geschmacks.
Tinto Red Premium Gin
Ähnlich wie beim Wein, gibt es auch beim Gin Erzeugnisse, die in ihrer Zusammensetzung die Botanik der Gegend widerspiegeln, aus der sie stammen. Ein gutes Beispiel für dieses Phänomen ist der Tinto Red Premium Gin von den Ufern des Minho in der Umgebung von Valença. Dieser Gin bildet die dortige üppige Pflanzenwelt ab und enthält deshalb auch eine besondere Frucht, die wirklich nur in besagter Gegend wächst: Pericos, bei denen es sich um birnenähnliche Früchte handelt. Weiterhin umfasst die beeindruckende Liste der Botanicals Dill, Mohn, Lavendel, Orangen, Zitronen, Katzenminze, Weidenblätter, Lorbeer, Holunder, Rosmarin, Ruprechtskraut, Eukalyptus, Melisse, Zitronenstrauch sowie Brombeeren. Ebenso erwähnenswert sind die 90-tägige Mazeration dieser pflanzlichen Zugaben, die Verwendung von Roggen und Gerste sowie die langsame dreifache Destillation, die diesem Gin ebenso ein besonderes Gepräge verleihen wie sein saftiges Rot.
Würzig nach Kräutern, süßen Trauben mit einem Hauch von Orangenschalen duftend, kannst du beim Tasting für den Bereich des Geschmacks eine vergleichbare Würze notieren, wobei dir sicher auch die Aromen von Nelken, Kardamom und Wacholder sowie ein Hauch von Portwein positiv auffallen werden.
Mit diesem Ausnahmeprodukt aus Portugal legen wir für heute unseren Stift nieder und wenden uns selbst einem Glas mit gutem Gin und zahlreichen Botanicals zu, denn schließlich weckt nicht nur Lesen den Appetit, sondern auch das Schreiben! Wir sehen uns!