Was ist die Spirituosenverordnung der EU?
Die Verordnung (EG) Nr. 110/2008 (Spirituosenverordnung) von 2008 sowie die neuere und überarbeitete Verordnung (EU) 2019/787 von 2019 bestimmen die Herstellung, Zusammensetzung und Kennzeichnung von Spirituosen im EU-Binnenmarkt. Außerdem werden geschützte geographische Angaben definiert.
Das Ziel der Verordnung ist es, Markttransparenz zu schaffen, für einen fairen Wettbewerb zu sorgen und das Verbraucherschutzniveau zu fördern.
Spirituosen werden in der aktuellen Verordnung in 44 Kategorien eingeteilt. Für die Kategorien 1–14 (dazu gehören u. a. Rum, Whisky, Grappa und Obstbrand) gelten strengere Vorschriften, was ihre Herstellung betrifft. Dabei wird auch geregelt, ob und wie viel Zucker zugesetzt werden darf, worum es in diesem Artikel gehen soll.
Welchen Spirituosen wird Zucker zugesetzt und welchen nicht?
Bei der Herstellung von Spirituosen ist Zucker unerlässlich, da dieser zu Alkohol umgewandelt wird. Konsumenten ist jedoch oft nicht klar, dass vielen Spirituosen und anderem Alkohol Zucker auch im Nachhinein (als "Abrundungszuckerung") zugesetzt wird. Deshalb wollen wir uns nun erst einmal ansehen, welchen Spirituosen süßende Erzeugnisse (berechnet als Zucker) in welchen Mengen gemäß EU-Recht zugesetzt werden darf.
- Vodka: 8 g pro Liter
- Whisky: Kein Zuckerzusatz erlaubt
- Gin: Für London Gin und Dry Gin sind lediglich 0,1 g süßende Erzeugnisse pro Liter erlaubt; zu den anderen Arten von Gin gibt es in der Verordnung keine Bestimmungen
- Weinbrand: 35 g pro Liter
- Obstbrand: 18 g pro Liter
- Grappa: 20 g pro Liter
- Likör: Hier verhält es sich andersherum; ein Likör muss einen Mindestgehalt an süßenden Erzeugnissen aufweisen – bei Kirschlikör und Sauerkirschlikör sind dies 70 g pro Liter, bei ausschließlich mit Enzian oder ähnlichen Pflanzen sowie Wermut aromatisierten Likören sind es 80 g pro Liter und bei allen anderen Likören 100 g pro Liter
Wir wissen nun also, wie viel Zucker in Alkohol bzw. den verschiedenen Spirituosen enthalten sein darf. Gehen wir nun also zurück zur EU-Spirituosenverordnung und sehen uns an, was sich durch die aktualisierte Fassung von 2019 änderte.
Was änderte sich durch die neue Spirituosenverordnung der EU?
Eine der wichtigsten Änderungen durch die neue EU-Spirituosenverordnung [Verordnung (EU) 2019/787 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019] ist in der Tat die Festlegung der Obergrenze an zulässiger Nachzuckerung bei vielen Spirituosen. Die neuen Obergrenzen sind jedoch trotzdem oft höher als viele in Deutschland bereits geltende; z. B. dürfen Obstbränden in Deutschland lediglich 10 g Zucker pro Liter zugesetzt werden, in der neuen EU-Verordnung sind es 18 g pro Liter.
Eine weitere interessante Neuerung in Bezug darauf, welcher Alkohol Zucker enthält, ist, dass der Name einer Spirituose zukünftig durch den Begriff «trocken» oder «dry» ergänzt werden darf, wenn sie nicht gesüßt wurde.
Besonders interessant sind die Neuerungen in Bezug auf Rum und Grappa bzw. Tresterbrand, da diesen vormals des öfteren große Mengen Zucker zugesetzt wurden, ohne dass dies der breiten Öffentlichkeit bekannt gewesen wäre. Sehen wir uns die Neuerungen im Detail an.
Zuckerzusätze bei Grappa
Grappa, der ausschließlich aus Trester oder mit Wasser und Weintrub versetztem Trester in Italien produziert werden darf, wird häufig Zucker zugesetzt, was vielen Konsumenten nicht bekannt ist. In der neuen Spirituosenverordnung der EU wird dies nun reguliert:
"Tresterbrand oder Trester darf zur Abrundung des endgültigen Geschmacks des Erzeugnisses gesüßt werden. Das Fertigerzeugnis darf jedoch nicht mehr als 20 g süßende Erzeugnisse pro Liter, ausgedrückt als Invertzucker, enthalten."
Allerdings war der durch italienische Behörden genehmigte Zusatz von Saccharose-Zucker bereits vorher auf 2 % begrenzt.
Die Zugabe von Zucker in Rum ist eine häufig angewandte Methode von Rumherstellern, um den Geschmack des Endprodukts süßer, milder und runder zu machen. Zudem werden ältere Rums oft mit diesen Charakteristika assoziiert, wodurch der Eindruck erweckt wird, es handle sich um ältere und somit hochwertigere Rums. Manchmal ist der Rum Zuckergehalt so hoch, dass man eigentlich bereits von einem Likör sprechen müsste. Ein weiteres Problem ist, dass manche Hersteller diese Zuckerzugabe verschleiern und viele Konsumenten nicht wissen, dass sie mit Zucker versetzten Rum trinken.
In der neuen EU-Spirituosenverordnung wird die Nachzuckerung von Rum folgendermaßen geregelt:
"Rum darf zur Abrundung des endgültigen Geschmacks des Erzeugnisses gesüßt werden. Das Fertigerzeugnis darf jedoch nicht mehr als 20 g süßende Erzeugnisse pro Liter, ausgedrückt als Invertzucker, enthalten."
Die Zugabe von Zucker ist nun also in der EU offiziell zulässig, allerdings auf 20 g pro Liter begrenzt.
Im Folgenden wollen wir uns einige Beispiele von Rumsorten ansehen, die mit Zucker angereichert werden, aber auch Abfüllungen vorstellen, die auf die Zugabe von Zucker komplett verzichten.
Rumsorten mit Zuckerzusätzen
Eine Vielzahl sehr namhafter Rumhersteller reichert seine Rumsorten mit Zucker an, was durchaus kontrovers diskutiert wird. Manche Blender geben dieses Verfahren offen zu und sehen sogar Vorzüge darin, beispielsweise Alexandre Gabriel von der Marke Plantation, der darin eine seit Jahrhunderten bewährte Praxis sieht. Die Wahl der richtigen Mengenverhältnisse beim Blenden trenne die Spreu vom Weizen, was die Qualität des Rums betrifft. Ähnliches werde schließlich auch bei dem "Dosage" genannten Verfahren bei der Herstellung von Champagner angewandt.
Auch der Rumhersteller Don Papa gibt an, ein wenig natürlichen Rohrzucker hinzuzufügen, was nach EU-Recht zulässig sei und in der philippinischen Rumtradition stehe. Und bei Ron Botucal gibt man offen Auskunft über die genutzte Nachzuckerung mit Rohrzuckermelasse.
Weitere Rumhersteller, die viele ihrer Rumsorten nach der Destillation süßen, sind unter anderem A.H. Riise, Zacapa und Diplomatico.
Rumsorten ohne Zuckerzusätze
Es gibt aber natürlich auch Rumhersteller, die auf die Zugabe von Zucker verzichten und diese Verfahrensweise kritisch sehen. Richard Seale, der Master Blender der Foursquare Distillery und bei R.L. Seale auf Barbados hält die momentane Situation für zu intransparent und beklagt ein Verwischen der Grenzen von "sweet" und "dry" Rum. Umso wichtiger ist es, Beispiele von ungesüßtem Rum herauszustellen. Hier sind besonders gelungene Beispiele.
Dictador 12 Years Old Ultra Premium Reserve
Der 12 Jahre in amerikanischen Eichenfässern gereifte Dictador Ultra Premium Reserve aus Kolumbien ist ein von Kennern hochgeschätzter Rum, der aus honigartigem Zuckerrohrsirup destilliert wurde. Und dank Aromen von Karamell, Kakao und Honig, die sich auf komplexe und elegante Weise mit Eichenholz- und Kaffeenoten verbinden, kommt man gar nicht auf die Idee, dass dieser Rum nachgesüßt werden müsste – ein natürlicher Rum für jede Gelegenheit.
Silver Seal Old Navy Rum Edition 2018
Auch die Marke Silver Seal nimmt davon Abstand, beim Blenden ihrer Rumsorten mit zusätzlicher Süße nachzuhelfen. Und bei diesem Old-Style-Rum mit Blends aus Demerara, Barbados und Jamaika wird dies keineswegs vermisst. Vollmundige Aromen von Karamell, die sich mit solchen von Kokosnuss, Gewürzen, Zitrusfrüchten sowie Schokolade vereinen, vollenden einen absolut hochwertigen Tropfen und versüßen einem auch ohne Zuckerzusätze den Tag – Qualität, die man auch schmeckt.
Mezan XO Jamaica Rum
Das ungesüßter, hochwertiger Rum auch zu einem erschwinglichen Preis erhältlich sein kann, beweist der Mezan XO Jamaica Rum. Dieser buchstäblich ausgezeichnete (Goldmedaille bei der San Francisco World Spirits Competition 2015) Rum aus Jamaika mit Einflüssen von tropischen Früchten und Eiche schmeckt trotzdem schön süß. Insgesamt handelt es sich hierbei um einen harmonischen und ausbalancierten Rum für jede Gelegenheit.
Weitere Beispiele großartiger ungesüßter Rumsorten sind:
• Mount Gay 1703 XO Triple Cask Blend
• Compagnie des Indes West Indies 8 Years Old Blended Rum
• Hunter Laing Kill Devil Guyana 16 Years Old Single Cask Rum 1999
• Doorly's 12 Years Old Fine Old Barbados Rum
Dieser Artikel konnte hoffentlich etwas Klarheit verschaffen, was die neue EU-Spirituosenverordnung betrifft. Das Thema Alkohol und Zucker ist jedoch noch sehr viel umfassender; weitere interessante Fragen wären beispielsweise "Gibt es Alkohol ohne Zucker?" oder auch "Wieviel Zucker hat Wein?". Schau dich deshalb auch in Zukunft immer mal wieder auf unserem Blog um und halte Ausschau nach spannenden Themen, köstlichen Rezepten sowie Tipps und Empfehlungen zu allem, was die Welt des Weins und der Spirituosen zu bieten hat.